Gleich zu Festival-Beginn wird schon mächtig Pulver verschossen, wenn die britische Musikerin Anna Calvi am Mittwoch Abend im Kesselhaus loslegt. Doch wer ist diese Frau, und was macht sie so fucking special? Ich hab das mal gegoogelt. Recherche. Und war echt geschockt, was und vor allem wie manche Blätter so über sie schreiben. Eine Frau, die Rockmusik macht und E-Gitarre spielt, sollte 2019 nun wirklich keine reißerische Schlagzeile mehr sein. Und warum bitte machen Beschreibungen ihres Aussehens mindestens ein Viertel der Artikel über sie aus, wenn die eigentlich ihrer Musik, ihrer Arbeit gewidmet sind? Sie sehe aus wie ein Model. „Eine zierliche Schönheit mit roten Schmolllippen, hohen Wangenknochen, Reh-Augen, wild toupierter Sturmfrisur und ganz leiser Stimme“, lese ich da bei Deutschlandfunk. Es ist so lame. Und ich hoffe, dass Anna Calvi kein Deutsch versteht und diesen Macho-Mist über sich nicht lesen muss.
Was schreibe ich also über sie? Naja. Sie ist virtuose Vollblutmusikerin, hat mit sechs Jahren angefangen, Geige zu spielen, mit acht Jahren kam die Gitarre dazu. Sie liebt die Stones, Jimi Hendrix und Patti Smith. Schon als Kind hat sie lieber „Jungssachen“ gemacht, und versteht nicht, was daran so schlimm ist, wenn Jungs „Mädchensachen“ machen wollen. Sie ist queer. Und leidenschaftliche Feministin und Schwulen & Lesben-Aktivistin.
Ihre Musik ist ein fulminanter Mix aus krachenden Gitarrenriffs und bittersüßer Pop-Romantik, rau, kraftvoll und leidenschaftlich. Brian Eno war ihr Mentor, Nick Cave nahm sie mit Grinderman mit auf Tour – keine schlechten Referenzen. 2011 kam ihr Debütalbum Anna Calvi raus, 2013 folgte One Breath. Ihr drittes Album Hunter erschien im August letzten Jahres und ist nichts anderes als ihr lang herbeigesehnter Befreiungsschlag von unzeitgemäßem Geschlechterdenken, von Genderzwängen und einer heteronormativen Gesellschaft. Doch erzählt sie darauf nicht von einer Community, die ihr Schicksal beweint und isoliert vor sich hin leidet, sondern von einer, die stark ist, die sich unterstützt und füreinander einsteht. Frauen für Männer, Männer für Frauen. Don’t beat the girl out of my boy. Seid dabei, wenn sie bewaffnet mit ihrer Fender Telecaster auf der Pop-Kultur-Bühne zum wilden Tier wird – am Mittwoch, 21. August 2019 im Kesselhaus.