All eyes on women: Must See-Künstlerinnen der BERLIN ART WEEK 2019

Posted In: Fempowerment

Seit 2012 schlagen jedes Jahr im Herbst die Herzen der Kunstbegeisterten aus aller Welt höher, wenn es wieder heißt: It’s BERLIN ART WEEK

Vom 11. bis 15. September 2019 verwandeln zwei Kunstmessen mit knapp 200 internationalen Galerien, 17 Berliner Museen und Ausstellungshäuser, 15 Privatsammlungen, 20 Projekträume mit Ausstellungen, Eröffnungen, Preisverleihungen, Talks, Urban Interventions und dem Sonderprojekt Statista die Hauptstadt für ein paar Tage in ein El Dorado für zeitgenössische Kunst. 

Allerdings heißt es auch hier nach wie vor „Im Westen nichts Neues“: Die Kunstwelt wird auch im Jahr 2019 noch immer dominiert von Männern und ihren Bildern. Am deutlichsten wird dieser allgemeine Gender Gap auf den Messen, an denen hauptsächlich von Männern geführte Galerien teilnehmen und Galeristinnen in der Unterzahl sind. Ebenso wie Künstlerinnen. Denn weil Messebeteiligungen ein kostspieliges Unterfangen sind und Kosten und Nutzen knallhart kalkuliert werden müssen, ist natürlich jedem dran gelegen, auf begrenzter Fläche ausschließlich die Hochkaräter zu zeigen – um die Ausgaben durch gute Verkäufe wieder reinzuholen. Und in den meisten Fällen sind die Verkaufsschlager, die dann die Messekojen zieren, dank unserer immer noch patriarchalen Gesellschaft eben Künstler. Falls sich jemand die Mühe machen will, alle auf der art berlin und POSITIONS gezeigten Künstlerinnen zu zählen – mehr als 30 % des Gesamtaufgebots werden es höchstwahrscheinlich nicht werden. Bis zur Gleichberechtigung ist es auch in der Kunst noch ein weiter Weg.

Dennoch kommt mir die Art Week in diesem Jahr schon viel diverser als 2018 vor, denn da gab es zum Beispiel unter den 15 teilnehmenden Berliner Institutionen nur vier große Einzelausstellungen von Frauen. In diesem Jahr sind mehr Künstlerinnen präsent: Iman Issa in der DAAD Galerie, Natalie Czech, Friederike Feldmann und Bettina Pousttchi, die auch in der Berlinischen Galerie eine Soloshow hat, sind im KINDL Zentrum für Zeitgenössische Kunst zu sehen, Christina Ramberg im KW Institute for Contemporary Art, der n.b.k. zeigt eine neue Arbeit von Candice Breitz (mehr dazu weiter unten), die Schering Stiftung Anna Virnich und Anika Kuhlmann ist im Schinkel Pavillon mit dabei. Vielversprechend!

Das ganze Programm ist wie immer mehr als umfangreich und macht die BERLIN ART WEEK zu einem künstlerischen Marathon, bei dem es überall an jeder Ecke Kunst zu entdecken gibt. Als Magazin für Fempowerment, dass alle Frauen und ihre Arbeit und ihr Engagement wertschätzt und sie dabei unterstützt, sichtbarer zu werden, habe ich nach dem Motto „All eyes on women“ eine kleine Must See-Auswahl getroffen. Wen also auf dem Streifzug durch die Spielstätten der Art Week besonders die Präsentation von Künstlerinnen interessiert, dem seien folgende Positionen ans Herz gelegt:

Minjung Kim

Commeter | Persiehl & Heine

Minjung Kim
The Street
, 2019
Mischtechnik auf Mulberry-Hanji-Papier
50 x 60 cm
commeter.de

If you can master a material, you can really express yourself. I chose paper.

Und so arbeitet Minjung Kim meisterhaft mit und auf diesem Material und scheint jedes einzelne Molekül zu verstehen und zu beherrschen. Nichts bleibt dabei dem Zufall überlassen, virtuos fügt sie das auf traditionelle Weise in ihrem Heimatland Korea hergestellte Hanji-Papier und Aquarellmalerei sowie Kalligraphie zu einem ausbalancierten Gesamtwerk zusammen. Ihre filigranen Arbeiten muss man unbedingt live sehen, um ihre Leuchtkraft und Minjung Kims künstlerisches Commitment in den feinen Linien aus Tusche, den sorgfältig per Hand bearbeiteten Papierstücken und der besonderen Farbigkeit zu erleben. 

Minjung Kim ist noch bis diesen Sonntag bei der Galerie Commeter auf der POSITIONS Berlin Art Fair in Hangar 4 im Flughafen Tempelhof zu sehen. Einfach nach dem stilvollsten Stand mit den freundlichsten Gesichtern Ausschau halten.

Candice Breitz | LABOUR

Neuer Berliner Kunstverein - n.b.k.

Candice Breitz
© Neuer Berliner Kunstverein / Tobias Zielony

nbk.org

Lediglich dass Labour eine neue Videoarbeit ist, die erstmals vorgestellt wird, erfährt man aus dem Programmheft der BERLIN ART WEEK. Und nur dass die Ausstellung ein Vorschlag sei, bestimmte Personen, deren gewaltsame Verhaltensweisen nicht länger toleriert werden können, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, schreibt Candice Breitz selbst in einem Facebook-Post. Ziemlich kryptisch. Dazu veröffentlichte sie zusammen mit dem Bild einer Plazenta dann noch eine Schrift mit dem Titel Matricial Decree, verfasst von dem fiktiven Secular Council of the Utopian Matriarchat, indem es unter anderem heißt, dass die Nachkommen Mik, Nitup, Oranoslob und Pmurt, welche „der Matrix“ vorsätzlich und böswillig geschadet haben, nun von der Menschheit abgezogen werden. Man weiß sofort, um wen es geht und ja, das ganze ist sehr politisch. Doch was hat das mit dem Thema Geburt zu tun? Die Antwort in Form von vier Videos ist schonungslos und bildgewaltig, aber hat irgendwie auch eine gewisse Komik. Nur so viel: Manchmal wäre es gut, wenn man das Leben zurückspulen könnte, um Dinge ungeschehen zu machen. Anschauen lohnt sich, Labour läuft noch bis zum 25. Oktober 2019.

Für die Künstlerin ist es übrigens nicht das erste Mal, dass sie sich einem kontroversen Thema annimmt und kritisch verarbeitet: In der Videoarbeit TLDR, die letztes Jahr auf der Art Basel zu sehen war, ging es um SexarbeiterInnen in Kapstadt und deren Kampf um die Entkriminalisierung von Sexarbeit, für ihre Arbeit Love Story ließ sie Juliane Moore und Alec Baldwin Erlebnisberichte von Geflüchteten im Stil des Hollywood-Dramas vortragen um zu hinterfragen, warum diese Fiktion mehr Mitgefühl erzeugt als wenn die Betroffenen selbst ihre Geschichte erzählten. 

Grit Richter

Galerie Tanja Wagner

2019_GR_I_d_Like_To_Spend_More_Time_With_You_cropped-1
Grit Richter
I‘d Like to Spend More Time With You, 2019
Öl auf Leinwand
210 x 170 cm

tanjawagner.com

Irgendwo zwischen Figürlichkeit und zweidimensionaler Abstraktion entstehen Grit Richters geometrische, aber dennoch verspielt wirkenden Ölmalereien. Obwohl klar ausgeformt und reduziert, erscheinen die teilweise amorphen Linien und Formen doch sehr plastisch und durch die kräftigen Farben sehr lebendig, als würden sie menschliche Wesen verkörpern – die sich wie hier auf einer emotionalen Verständnisebene begegnen und ineinander legen, verschlingen und umarmen. Basierend auf der Annahme, dass wir alle eine kollektive emotionale Struktur teilen, versuche ich Assoziationsräume zu schaffen, die der Ungreifbarkeit innerer Systeme eine Gestalt verleihen. Ein Appell an unsere emotionale Intelligenz.

Grit Richters Arbeiten sind noch bis diesen Sonntag auf der art berlin in Hangar 5 und 6 im Flughafen Tempelhof bei der Galerie Tanja Wagner zu finden. Die Galeristin hat übrigens als All female-Galerie angefangen – nicht als Konzept, sondern aus Überzeugung und als Beweis, dass es in der Kunst sehr wohl genügend starke Positionen von Frauen gibt, um daraus ein Programm zu machen. Richtig so.

MAFALDA FIGUEIREDO

MAUS CONTEMPORARY

Contemplation_interrupted_2018_200by160cm_oil_on_canvas

Mafalda Figueiredo
Contemplation interrupted
, 2018

Öl auf Leinwand

ca. 200 x 160 cm
mauscontemporary.com

Mir passiert es selten, dass mich Kunst ganz unvermittelt abholt – als ich zum ersten Mal die Arbeiten von Mafalda Figuereido sah, war es so. Auf den ersten Blick. Man sagt, Träume seien Schäume. Für sie sind die unwirklichen Bilder, die wir nachts zusammenfantasieren, in erster Linie Inspiration für ihre eigenen auf der Leinwand. Dabei entstehen die kuriosesten Kompositionen zwischen Fauvismus und Neo-Expressionismus, oft mit nackten Menschen, gepaart mit banalen Motiven wie Fröschen, Rehen oder Tomaten, um „subtil und differenziert sexuelle Normen, Sitten, Geschlechtsidentität und -erwartungen“ zu dekonstruieren. 

Obwohl sie dafür aus einem breiten Spektrum unterschiedlichster kunstgeschichtlicher und gesellschaftlicher Strömungen wie Konzeptualismus und Feminismus schöpft, sind ihre großformatigen Werke doch alles andere als aufdringlich oder überladen – was ihre besondere Anziehung ausmacht. Gezeigt wird sie ebenfalls noch bis Sonntag bei Maus Contemporary auf der POSITIONS Berlin Art Fair.

Gülbin Ünlü

Galerie Britta von Rettberg

Gülbin Ünlü
Ohne Titel (Hybrid)
, 2019
Druckertinte auf Papier
89 x 63 cm
galerie-rettberg.de

Künstlerisch vielseitig ist Gülbin Ünlü, die auf der art berlin von der Galerie Britta von Rettberg gezeigt wird. Ob Malerei, Fotografie, Video oder Performance, Musik und Literatur: Sie beherrscht all diese Techniken, aber einzig die Idee entscheidet, welche angewendet wird. Kombinationen nicht ausgeschlossen. Aktuelle Fragen werden in einer subtilen Bildsprache aufgegriffen, derzeit ist das Verhältnis des Menschen zu Tier und Natur Schwerpunkt ihrer Arbeiten. In einem vielschichtigen Prozess, angefangen bei der digitalen Verfremdung von Fotos, die dann gedruckt und als Collage zusammengefügt werden, über das bewusste Dekonstruieren des Motivs durch verschwommene Druckertinte, entstehen so schemenhafte Bildräume, die dem Betrachter überlassen, was er sehen will.

Nicht auf der Messe, aber in ihrem Galerieprogramm hat Britta von Rettberg außerdem die Künstlerinnen Asta von Unger und Irina Ojovan, deren Arbeiten es zu kennen lohnt.

Natürlich gibt es in dieser Woche auch abseits der Programm-Trampelpfade der BERLIN ART WEEK noch großartige Kunst von Frauen zu entdecken: In der Galerie carlier | gebauer schafft Filmemacherin und Künstlerin Laure Provoust, die derzeit Frankreich auf der Biennale in Venedig vertritt, unter dem Titel In Reflection We Rest „eine Oase der Ruhe, der Entspannung, des Nachdenkens und des Erinnerns“. Bei Kristin Hjellegjerde eröffnet am 13. September 2019 die Ausstellung Mirror, Mirror der Künstlerin Vanessa Prager, bekannt für ihren pastosen Farbauftrag und den darin oft versteckten menschlichen Silhouetten und Körpern, die es zu identifizieren gilt. Und last, but not least: Imagine von Anne Imhof in der Galerie Buchholz

Wie du SELBST Künstlerinnen unterstützen kannst:

Titelbid: © Max Renneisen, Strangers in Paradise. Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm, 2019 / Logo: berlinartweek.de

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